Faszien Hype oder Evidence – das ist hier die Frage

Schon wieder oder immer noch. Die Faszien sind in aller Munde. Praktische Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich bei Muskel- und Gelenksproblemen der richtige Einsatz des Faszien-Trainings als wirksam bestätigt hat. Die Betonung liegt auf richtig. Gefragt ist in erster Linie Geduld. Das ist vermutlich auch der Grund, warum sich oftmals Faszien-Kritiker und Zweifler bestätigt fühlen. Wer soll schon Geduld aufbringen, wenn es mit Spritze oder Medikament wesentlich schneller geht. Eventuell auftretende Nebenwirkungen werden von vorne herein ausgeblendet. Bei der richtigen Pflege der Faszien ist Selbstverantwortung gefordert – und das ist anstrengend. Das Faszien-Gewebe kann durch Verletzungen, Überanstrengung oder Passivität und chirurgische Eingriffe beeinträchtigt werden. Es kann sich nach Möglichkeit aber selbst reparieren bzw. auf Grund der „Formbarkeit“ jedoch auch wieder in den alten Zustand zurückversetzt und in einen optimierten Zustand gebracht werden. Es passt sich unseren spezifischen Bewegungs- und Atemmustern an und wird von unseren geistigen Neigungen und den Bewegungen, die diese fördern oder hemmen, mitgestaltet. Wie so oft ist es unerlässlich, sich die Möglichkeiten von einem Fachmann aufzeigen zu lassen, um letztendlich die erwünschte Wirkung zu erzielen. Wer sich aber um sich und um seinen Körper kümmert und ihn pflegt, wird belohnt. In diesem Bericht sollen praktische Möglichkeiten zur Pflege der Faszien aufgezeigt werden, die bei richtiger und regelmäßiger Anwendung ihre Wirksamkeit entfalten werden.

Faszien Hype oder Evidence – das ist hier die Frage

Schröpfen

Der Einstieg und gleichzeitig eine der einfachsten Methoden, sich mit der Reparatur des Bindegewebes zu beschäftigen, ist auch die älteste. Seit gut 5000 Jahren hat sich das Schröpfen über hunderte Generationen in der Volksmedizin bewährt und hat immer seine letztendlich wohltuende Wirkung entfacht. Leider ist diese Methode etwas in Vergessenheit geraten. Aber schon Hippokrates lehrte uns: „Wer die Erfahrungen der Älteren verwirft und vernachlässigt und glaubt, nur in der neuesten Behandlung den rechten Weg gefunden zu haben, der täuscht sich selbst und die anderen.“

Die Schröpfköpfe werden auf die leicht geölte Haut aufgesetzt. Durch Zusammenpressen saugen sie sich an, wobei durch den dabei entstehenden Unterdruck leichte, oberflächliche Hämatome entstehen, ähnlich wie beim „Knutschfleck“. Dies erzeugt einen starken Reiz, der die örtlichen und allgemeinen Selbstheilungskräfte aktiviert. Durch den gleichzeitig entzündungshemmenden Effekt wird die Heilung gefördert. Wir bewerten diese Reaktion als durchaus erwünscht und unbedenklich. Lediglich Menschen, die blutverdünnende Medikamente nehmen, sollten sich vorsichtig an das Schröpfen herantasten. Auf jeden Fall sollte vorab fachliche Beratung eingeholt werden.

„Die Natur heilt von innen her mit Hilfe eines äußeren Heilmittels“ Thomas von Aquin.

Anwendung: Die Behandlungsdauer sollte in der Anfangsphase 3 bis 5 Minuten nicht überschreiten. Das subjektive Empfinden gibt recht gute Signale, wann der Schröpfkopf entfernt werden soll.

Im Abstand von 2 bis 3 Tagen kann das Schröpfen wiederholt werden. Die Ruhezeit ist einzuhalten, damit sich das Gewebe regenerieren kann. Diese Zeitspanne kann im Laufe der Anwendungen individuell erhöht werden. Pneumatische Pulsationsmassage Stefan Deny (1922-1998), Mediziner und Erfinder, erfand und entwickelte in jahrzehntelanger Forschungsarbeit ein modernes, einfach zu handhabendes Gerät zur pneumatischen Pulsationsmassage und meldete es zum Patent an.

Ziel von Stefan Deny war es, die tieferen Schichten des Gewebes zu erreichen: Mit einem Gerät, das am Körper eine pulsierende Massagebewegung erzeugt, die das Gewebe vertikal von innen nach außen dehnt. Dadurch wird das Lymphsystem angeregt, die Blutzirkulation wird beschleunigt und damit der gesamte Stoffwechsel der Zellen in den Gewebestrukturen verbessert. Faszien-Training Ausrollen Endlich ist es möglich, mit der Roll-yourself-Methode überall und jederzeit die Faszien selbst zu behandeln. Durch das Rollen auf der Faszien-Rolle oder dem Ball lösen sich fasziale Adhäsionen und Verdickungen, die Gewebsstrukturen werden durchfeuchtet, der Körper wird beweglicher und das Körpergefühl verbessert sich. Viele Sportler schwören mittlerweile darauf, nicht nur nach dem Training oder einem Wettkampf, sondern auch in der Aufwärmphase mindestens zehn Minuten mit der Faszien-Rolle zu arbeiten. Unser Alltag findet meist in sitzender bzw. ruhender Position statt.

Durch die Unbeweglichkeit trocknet das muskuläre Bindegewebe, die sog. Faszien, aus. Eben durch diesen Bewegungsmangel werden die Faszien unelastisch und verkleben. Da dieses Bindegewebe unsere inneren Organe, die Muskulatur, Sehnen und Knochen verbindet, kann es bei Verklebungen desselben zu Einschränkungen der Beweglichkeit sowie in der Folge zu Gelenks- und Rückenschmerzen kommen.

Durch Roll- und Kreisbewegungen auf speziell abgestimmten Trainingsgeräten können diese Verklebungen gelöst werden. Die Faszien werden dabei wie ein Schwamm ausgedrückt und transportieren Stoffwechselprodukte und Lymphe ab. Das dabei aktivierte Gewebe wird bei angeregter, verstärkter Durchblutung wieder gleitfähig und geschmeidig. Die Regeneration der muskelumhüllenden Faszien beschleunigt sich deutlich. Langsam ausgeführte Rollbewegungen oder punktueller, anhaltender Druck wirken entspannend und lösend. Durch diesen Druck wird über die Mechanorezeptoren eine Signalkaskade zum vegetativen Nervensystem und in Richtung Muskel ausgelöst. So kommt es zu einer Detonisierung des Faszien- und Muskeltonus.

Eigene Erfahrungen Fit bis zur Ferse Unter meiner rechten Fußsohle befindet sich ein kleiner Ball, über den ich mit leichtem „Wohlwehschmerz“ rolle und drücke. Durch den Druck stellen sich meine Zehen nach oben. In der Anfangsphase eine durchaus unangenehme Übung. Mit der Zeit aber spüre ich, dass diese Roll- und Fliessbewegung wunderbar gut tut.

Als ich mich mit dem rechten Fuß wieder auf den Boden stelle, bin ich überrascht, dass sich die Wirkung nicht nur auf den Fuß beschränkt. Das gesamte rechte Bein fühlt sich leichter und gleichzeitig straffer an. Zudem habe ich den Eindruck, dass sich das rechte Bein länger anfühlt. Erstaunlicherweise wirkt das linke Bein jetzt verkümmert, die Muskulatur weich und teigig. Der Grund für die Anregung der Durchblutung und des Stoffwechsels bei Massagen mit Bällen oder FaszienRollen liegt in der Tatsache, dass bei Stimulation des Gewebes der Botenstoff Stickstoffmonoxid ausgeschüttet wird, der die Gefäße erweitert und somit einen ungehinderten Fluss von Gewebsflüssigkeit und Blut gewährleistet. „Nicht was wir erleben sondern wie wir empfinden, macht unser Schicksal aus“ Verfügung stehende Sinnesorgan benötigt das Bindegewebe variantenreiche Impulse zur Regeneration wie Schröpfen oder Druck durch Ball oder Rolle. Diese Reize sollten mit voller Aufmerksamkeit wahrgenommen werden, was allerdings viel Geduld und Durchhaltevermögen erfordert.

Nur dann ergibt sich ein Lerneffekt, der sich im Gehirn verankert. Individuelle und konstitutionelle Besonderheiten sollten in der Reizgestaltung und -dauer Berücksichtigung finden. Trotz oder gerade wegen immer wiederkehrendem Zweifel an der Sinnhaftigkeit bzw. einem Erfolg, der oftmals lange auf sich warten lässt – „schon wieder“ oder „immer noch“ ausrollen und schröpfen -, heißt es weitermachen. Die Pflege der Faszien sollte als dauerhaftes „Training“ in den Lebensrhythmus integriert werden. Jeder, der durchhält, wird den Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Körper verspüren.

Gabriele Müller Staatl. gepr. Sportund Gymnastiklehrerin, ärztlich geprüfte Naturheilberaterin im ENB. Ausbildung an der staatlich anerkannten Sport-und Gymnastikschule in Waldenburg.