Faszien: Der Schlüssel gegen Rückenschmerzen?

Sie sind derzeit in aller Munde: die Faszien. Woran liegt das? Ein neuer Trend, gutes Marketing oder nur Medienhype? Keineswegs, denn bis vor wenigen Jahren dachten Ärzte, dass Faszien nutzlose Verpackungsmaterialien im Körper sind. Mittlerweile ist jedoch erforscht, dass Faszien eine entscheidende Rolle bei Schmerzen, Wohlbefinden, Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit haben. Was sind also diese „Faszien“? Der Begriff Faszie stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Band/Bündel. Früher war die Faszie als Bindegewebe bekannt und fand oft nur im Zusammenhang mit Cellulite Beachtung. Diese Einschränkung wird dem tatsächlichen Stellenwert dieses faszinierenden Gewebes jedoch keineswegs gerecht. Was genau können Sie sich also darunter vorstellen? Faszien sind sehr feine bis mehrere Millimeter dicke Häute. Sie umhüllen netzartig Knochen, Muskeln, Organe, Nerven und verbinden so alle Bestandteile des Körpers flexibel miteinander. Insgesamt können die Faszien knapp 20 Kilogramm des gesamten Körpergewichts ausmachen. Faszien sind somit räumlich trennende und formgebende Strukturen. Im Grunde gibt es kaum eine Lebensform, die ohne diese elastischen Häute auskommt. Faszien bilden demnach die Grundmatrix des Lebendigen. Die meisten Menschen sind überrascht zu erfahren, dass unser reichhaltigstes Organ im menschlichen Körper nicht die Haut, Augen oder Ohren sind, sondern unsere Muskeln mit deren umhüllenden Faszien. Faszien sind durchzogen mit Nervenendigungen und Rezeptoren und können Schmerz vermitteln. Rezeptoren sind Informationsgeber Vom Schattendasein ins Rampenlicht Faszien: Der Schlüssel gegen Rückenschmerzen? Daniel Otmar, Faszientherapeut und füttern unser Gehirn mit einer Flut an Sinnesempfindungen. Aus diesen Gründen gehen Forscher mittlerweile soweit, Faszien als ein eigenständiges Sinnesorgan zu bezeichnen. Faszien sind auch stark daran beteiligt, wie beweglich wir sind. Eine gesunde Faszie sorgt dafür, dass Muskeln, Nerven und Organe beweglich und zueinander gleitfähig bleiben. Stellen Sie sich einmal vor, Sie tragen eine enge Jeanshose oder einen maßgeschneiderten Anzug. Sind Sie mit diesen Kleidungsstücken nicht weit weniger beweglich als mit der geliebten Jogginghose? So können Sie sich auch Faszien vorstellen: Viele einzelne, übereinander liegende, geschmeidige Gewebsschichten, die unabhängig voneinander und übereinander gleitfähig sein müssen. Ist dies der Fall, geben sie uns die nötige Beweglichkeit. Genauso verhält es sich mit der geliebten Jogginghose, die uns den nötigen Raum für Bewegung gibt. Das Organ der Form Die Natur nutzt das Prinzip von räumlich trennenden und formgebenden Strukturen als eine Art universellen Bauplan. Falls Sie Fleisch essen, sind Ihnen sicher die milchigen, weißen Häute aufgefallen, die das Steak umhüllen und durchziehen. Wenn Sie eine Orange aufschneiden, sehen Sie das gleiche Prinzip wie beim Steak. Dünne Häute, die die Orange durchziehen, sie räumlich teilen, zudem gleichzeitig alles miteinander verbinden und somit den Orangen eine Form geben. Wenn Sie im Biologieunterricht ein menschliches Skelett in Lebensgröße vor sich sahen, konnten Sie erkennen, dass eine Vielzahl von Schrauben das Skelett zusammenhielt. Ohne diese Schrauben wäre das Skelett nur ein Knochenhaufen. Im menschlichen Körper sind es die Faszien, die alles zusammenhalten und unserem Körper eine Form geben. Das Tensegrity Modell (siehe Bild) zeigt eindrucksvoll, wie die Zugspannung der Gummis die Holzstäbe zusammenhält, während diese sich nicht berühren. Das verleiht dem Modell sowohl eine stabile wie flexible Form. Zusätzlich werden die Holzstäbe von den Gummis bei einem eventuellen Aufprall auf den Boden geschützt. Faszien halten auf die gleiche Weise den menschlichen Körper zusammen, verleihen ihm eine flexible Form und bewahren ihn vor Krafteinwirkung. Verhärtete und verklebte Faszien Es gibt viele Faktoren, die Faszien verkleben oder verhärten lassen:

  • Flüssigkeitsmangel
  • Stress
  • Bewegungsmangel
  • Ernährung
  • Verletzungen
  • Mangelnde Körperwahrnehmung
  • Einseitige Bewegung
  • Narben infolge einer Operation
Auf die beiden Letzteren möchte ich detaillierter eingehen, da diese aus meiner Sicht zwei der massivsten und oft übersehenen Faktoren sind.

Einseitige Bewegung

Der Astronaut landet mit dem Space Shuttle, nach 6 Monaten im Weltall, glücklich auf der Erde. Die Tür öffnet sich und der Astronaut springt voller Freude aus dem Raumschiff. Wirklich? Nein! In der Schwerelosigkeit beanspruchte der Astronaut kaum Muskeln, sein Körper passte sich exakt an und baute die unnötigen Muskeln ab. Er konnte nach dem Aufenthalt im Weltall das Space Shuttle mit eigener Kraft nicht verlassen, da seine Muskulatur für die Erdanziehungskraft zu schwach geworden war. Worauf ich hinaus möchte ist: Unser Körper ist ein Anpassungswunder und fügt sich perfekt den Anforderungen, die wir ihm geben, an. Auf unseren modernen Lebensstil bezogen, der viele Vorteile mit sich bringt, ergibt sich somit ein großer Nachteil. Unser Alltag ist extrem nach „innen“ gerichtet und dadurch einseitig. Größtenteils spielt sich unser Alltag in einem kleinen, immer gleichbleibenden Bewegungsradius ab: Autofahren, Computerarbeit, Kochen, Handy, Rasen mähen usw. Die meiste Zeit benutzten wir unsere Arme direkt vor unserem Körper. Wenn wir uns aber ins Gedächtnis rufen, wie beweglich eine gesunde Schulter sein kann, dämmert es uns. Die Faszien der Schulter, Brust und Arme werden nicht mehr flexibel benutzt und unser Körper passt sich wie beim Astronaut an und lässt Faszien verkleben, verkürzen und verhärten. Mangelnde Bewegung ist gewiss ein Thema, einseitige Bewegung aus meiner Sicht ein noch viel größeres.

Narben infolge einer Operation

Wir haben Faszien als feine Häute, die sich in mehreren übereinanderliegenden Schichten durch unseren Körper ziehen, kennengelernt. Eine Operationsnarbe kann der natürlichen Bewegung dieser Gewebsschichten entgegenstehen und hemmen. Eine Narbe verbindet dann mehrere Faszienschichten miteinander und verhindert das aneinander Gleiten jener Strukturen. Eine Narbe kann durchaus mit den Jahren immer dicker und wulstiger werden. Prinzipiell lässt sich sagen, dass Narbengewebe gesundes Gewebe frisst. Nerven, Rezeptoren und Nervenenden verkleben sich mit der Narbe und erzeugen Schmerz, Taubheitsgefühl, Stechen, Brennen und Ausstrahlen. Deshalb ist es enorm wichtig, diese Zeichen zu erkennen und „krankhafte Narben“ zu entstören.

Indirekte Spannung

Was daraus resultiert, nenne ich „indirekte Spannung“. Die Faszien von Schultern, Armen und Brustmuskeln haben sich durch einseitige Bewegung angepasst, sind verklebt und verhärtet. Die Narben hemmen somit die Gleitfähigkeit und Länge von Faszien. Jetzt üben diese Strukturen einen kaum wahrnehmbaren Zug aus. Kopf und Schultern schieben sich nach vorne und setzten die Rücken- und Nackenmuskulatur indirekt unter Spannung. Dies können Sie ganz leicht an sich selbst testen: Setzen Sie sich aufrecht hin. Lassen Sie ihren rechten Arm entspannt neben sich hängen. Tippen Sie nun mit der linken Hand leicht auf ihre Nackenmuskulatur und spüren Sie wie hart und schmerzhaft dieser Muskel ist. Schieben Sie nun ihre Schulter nach vorne und spüren noch einmal den gleichen Muskel. Fühlt er sich härter und schmerzhafter an? Jetzt schieben Sie ihre Schultern so weit nach hinten wie Sie können. Wie sieht es jetzt aus? Ist der Muskel weicher und weniger schmerzhaft? Wie erklärt sich dieses Phänomen?

Ich erkläre dies meinen Klienten gerne an dem Beispiel von Pfeil und Bogen. Der Bogen wird durch die Sehne unter Spannung gesetzt und ermöglicht es, einen Pfeil abzuschießen. Je kürzer die Sehne aber wird, desto mehr Spannung baut sich im Bogen auf, die ihn sogar zum Zerbersten bringen kann. Hat die Sehne viel Länge und wenig Spannung, dann entspannt sich der Bogen automatisch. In unserem Körper brauchen wir ein gesundes Maß an Spannung. Sie richtet uns auf und ermöglicht eine aufrechte Körperhaltung. Kippt diese jedoch und einseitige Spannung entsteht, wird unser Körper versuchen, dies zu kompensieren und andere, nicht beteiligte Muskeln spannen sich indirekt an. In der Fachsprache wird dieser Vorgang als exzentrische Überladung bezeichnet, die dazu führt, dass ein Muskel unter Spannung arbeitet und überlastet wird. Vielleicht kennen Sie die üblichen Sprüche: „Sitz gerade!“ oder „Mach Dich nicht so krumm!“. Wir versuchen dann unser Bestes, brauchen aber extrem viel Muskelkraft im Rücken, um halbwegs gerade zu stehen. Am Ende vom Tag schmerzen genau diese Muskeln, sind müde und überlastet. Der Grund dafür sind verklebte und angespannte Muskeln, die uns in unsere gewohnte Körperhaltung zwingen und uns dort verharren lassen.

4 Phasen

Aus Meiner Sicht gibt es 4 Phasen von verklebten Faszien, und die jeweils passende Möglichkeit Faszien zu lösen.

Phase 1: Leichte Verklebungen, die sich nur in einer kleinen Bewegungseinschränkung bemerkbar machen. Sie erzeugen wenig bis kaum Schmerzen. Hier hilft eine regelmäßige sportliche Betätigung wie: Schwimmen, Joggen, Gymnastik oder Hanteltraining.

Phase 2: Verklebungen schränken die Beweglichkeit ein und erzeugen regelmäßig Schmerzen. Hier hilft: Yoga, Dehnen, Faszientraining oder das Benutzen von Faszienrollen.

Phase 3: Verklebungen, die sich über mehrere Jahre angesammelt haben und jeden Tag Schmerzen erzeugen. Die Körperhaltung ist deutlich beeinträchtigt und der Gang wirkt steif. Hier hilft eine Faszientherapie oder Bindegewebsmassage sehr gut. Die verklebten Faszien oder Narben werden manuell gelöst und gelockert. Die Körperhaltung verändert sich positiv, der Gang wird wieder geschmeidiger und Schmerzen lösen sich Schritt für Schritt auf.

Phase 4: In dieser letzten Phase schlagen selbst manuelle Methoden nicht mehr an. Schmerzen sind kaum noch auszuhalten. Die verhärteten Faszien klemmen beispielsweise Nerven ein. Hier ist in den meisten Fällen eine Operation der letzte Ausweg. In einer Operation werden diese festen Gewebsschichten entfernt und Nerven freigelegt, sodass sie ihre normale Funktion wieder aufnehmen können.

Beispiel aus meiner Arbeit Wie Sie im vorangegangen Abschnitt gesehen haben, setzten die verklebten Faszien von Armen, Schultern und Brustmuskeln unsere Nacken- und Rückenmuskulatur unter Spannung. Jetzt fängt dieser Muskel an zu brennen, verkrampft sich und schmerzt. Unsere Schlafqualität leidet und wir bekommen evtl. noch Kopfschmerzen oder Migräne. Nun gehen wir zum Arzt, Physiotherapeuten oder lassen uns massieren. In den meisten Fällen behandelt der Fachmann dann auch genau die Region, die wir als schmerzhaft angegeben haben. Infolge der Behandlung reduziert sich der Schmerz, häufig jedoch nur kurzfristig. Der Nacken ist nach einer Woche wieder steinhart, brennt und schmerzt.

Um eine langfristige Entspannung und Entlastung sicherzustellen, kommen wir aus meiner Sicht nicht drum herum, den „Blick“ zu erweitern und zu schauen, welche Strukturen setzten die schmerzhaften Muskeln unter Spannung. Um dies zu verdeutlichen, zeige ich Ihnen ein Bild aus der Arbeit mit einem Klienten. Er litt unter Schulter und Nackenschmerzen. Nach 3 Sitzungen und 4 Wochen später veränderte sich seine Körperhaltung massiv und seine Schmerzen linderten sich zu 90%. Auf der rechten Seite ist deutlich zu erkennen wie sein Hohlkreuz harmonischer und weniger ausgeprägt ist. Der Kopf ist ein Stück nach hinten gekommen. Die Schultern haben sich nach hinten und nach unten verschoben. Er wirkt ein Stück größer und selbstbewusster. Ich habe mich bei diesem Klienten hauptsächlich auf die frontalen Strukturen konzentriert und sie behandelt. (Brustmuskulatur, Brustkorb, Zwerchfell, Hals, Arme und Hüftbeuger) Das Ergebnis ist, dass der Körper seine natürliche Mitte wiedergefunden und sich neu ausgerichtet hat. Das aufrechte Stehen und gerade Sitzen fällt wieder leicht. Die Beweglichkeit steigt. Der Klient kämpft nicht mehr gegen seine „Handbremsen“ im Körper an und richtet sich ganz natürlich auf. Die Muskeln werden entlastet und die Spannung im gesamten System harmonisiert sich. Ein Gefühl von Leichtigkeit stellt sich ein und Schmerzen bauen sich ab.

Daniel Otmar Jahrgang 1982, ist Faszientherapeut und Mentaltrainer. Geprägt durch seinen eigenen Leidensweg mit jahrelangen Rücken- und Nackenschmerzen, lernte er auf seinem Weg der Heilung viele Mentoren zu den Themen Nährstoffe, Mentaltraining und Faszien kennen. Er ließ sich von Ihnen ausbilden, konnte seine Schmerzen hinter sich lassen und hilft nun Menschen mit Schmerzen, Haltungsproblemen und mentalen Blockaden.