Knospenmedizin: Gemmotherapie Teil II

Interview mit dem Schweizer Gemmotherapie-Experten Jo Marty ENB: Was können Sie uns über den Entdecker der Gemmotherapie sagen? Jo Marty: Dr. Pol Henry wurde am 22. Oktober 1918 in Belgien geboren und bereits während des Medizinstudiums faszinierte ihn die Naturheilkunde, hauptsächlich die Phytotherapie. Inspiriert durch das Buch von Johann Wolfgang von Goethe „Die Metamorphose der […]

Interview mit dem Schweizer Gemmotherapie-Experten Jo Marty

ENB: Was können Sie uns über den Entdecker der Gemmotherapie sagen?

Jo Marty: Dr. Pol Henry wurde am 22. Oktober 1918 in Belgien geboren und bereits während des Medizinstudiums faszinierte ihn die Naturheilkunde, hauptsächlich die Phytotherapie. Inspiriert durch das Buch von Johann Wolfgang von Goethe „Die Metamorphose der Pflanzen“ erkannte er die große Kraft der Wirkstoffsynergie im embryonalen Pflanzengewebe. Er und der große Forscher Max Tétau stellten umfangreiche Studien über die klinische Anwendung zusammen und entdeckten, dass die Gabe von frischen Knospenmazeraten die Proteinämie des Blutes unmittelbar und nachhaltig beeinflusst. Also die Verhältnisse der Bluteiweiße. Max Tétau fasste die Jahre lang andauernde Forschung 1970 so zusammen: „Die Gemmotherapie beeinflusst die Proteinsprache der Zellen“.

ENB: Wie erklärt sich das?

Jo Marty: Knospen enthalten – wie oben erwähnt – eine Fülle von sehr spezifischen Inhaltsstoffen, die zum Teil in den Blättern und Blüten fehlen. In der Knospe steckt das gesamte genetische Programm der Pflanze wie Wachstumsfaktoren z. B. Gibberelline, Auxine, Nukleinsäuren sehr energiereiche Phosphat- und KarbonsäureVerbindungen, Aminosäuren, Mineralstoffe und Spurenelemente. All diese Substanzen sind am Aufbau des Pflanzenkörpers, an der Synthese der Pflanzenstoffe beteiligt und sind als Grundmoleküle für die zu bildenden Stoffwechselprodukte der Pflanze anzusehen. In Verbindung mit ätherischen Ölen, Flavonoiden, Gerb- und Bitterstoffen setzt das ewige Geheimnis des Wachstums ein. Aufgrund physikalischer Phänomene wie Licht, Temperatur und andere sprießt die Knospe; Leben gebird sich aus sich selbst.

ENB: Sie selber machten doch vor Jahren auch eine Art „Kleine Forschung“ bezüglich der Anwendung einiger Gemmomittel. Wie sind Sie da vorgegangen?

Jo Marty: Wir haben diesen Test über einige Monate mit Patienten mit relativ eindeutigen, gut abgrenzbaren Beschwerden durchgeführt. Wenn ich sage „wir“, dann meine ich eine Reihe von Therapierenden, die jeder oder jede für sich sonst mit unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkten wie Massagen, Kinesiologie, neue Homöopathie nach E. Körbler, Biochemie nach Schüßler arbeiten. Die Auflage war, dass wir die Patientinnen und Patienten und ihre Symptome gut kannten und die Behandlung über eine gewisse Zeit mit Gemmo-MeristemPräparaten durchführten. Wir haben nur einen eingeschränkten Teil des heute zur Verfügung stehenden Sortiments der Gemmotherapie in unsere kleine Untersuchung einbezogen.

ENB: Was waren die Resultate?

Jo Marty: Ja, vorab noch: Die Tests laufen noch. Einige Aussagen lassen sich heute schon machen, obwohl wir nicht stringent nach einer Methodik der Wirkungserhebung vorgingen. Die Mazerate werden ausnahmslos sehr gut vertragen. Die Verträglichkeit schien uns ein wichtiges Anwendungskriterium. Dies können wir mit gutem Gewissen attestieren. Die Anwendungs- bzw. Einnahmeart mit dem Sprühfläschchen, wobei die Mazerate direkt auf die Schleimhäute appliziert werden, wird als sehr angenehm, unkompliziert und günstig empfunden. Ebenso wird der Geschmack der Meristem-Mazerate geschätzt. Es lässt sich sagen, dass die Gemmotherapeutika den Heilungsprozess anregen, aktivieren und beschleunigen. Insbesondere trifft das auf das Nierenanregungsmittel Esche (Fraxinus excelsior), Rotbuche (Fagus sylvatica) und vorab auf Hagebutte (Rosa canina) bei Erkältungs- und Entzündungsprozessen zu. Überhaupt bewährte sich Hagebutte im Bereich der Kiefer- und Stirnhöhlen, Kehlkopf und Nase besonders gut.

ENB: Gibt es weitere solche konkret beobachteten Wirkungen?

Jo Marty: Ja, durchaus. Ich wählte nur einige Beispiele aus, die wir mehrfach bestätigt sahen. Also: Erwähnt habe ich schon die Rotbuche (Fagus sylvatica). Bei Einbußen der Nierenleistung und Energie brachte sie meist verblüffend rasche Besserung. Bei drei Patienten beobachteten wird, dass die typischen Nierenzeichen des Antlitzes bereits nach kurzer Zeit verschwanden. Ich hätte das vorher kaum für möglich gehalten. Natürlich gilt hier wie immer: Niereninsuffizienz gehört in die ärztliche Therapie, die Rotbuche lässt sich aber gut ergänzend einsetzen. Ein anderes interessantes Beispiel ist die Sommerlinde (Tilia platyphylos), die wir bei Einschlafstörungen wiederholt (d. h. bei einigen Patienten) mit zuverlässigem Erfolg einsetzen konnten. Auch hier stellte sich die deutliche positive Veränderung recht rasch ein, so dass eine der Therapeutinnen bei Schlafstörungen heute als erstes den Einsatz der Sommerlinde präferiert.

Ein häufiges Problem heute sind die Erschöpfungszustände, eine diffuse Müdigkeit ohne klare Kausalität. Die Olive (Olea europaea) aus der Gemmotherapie kann hier – auch rascher, als ich es erwartet hätte – gute Dienste leisten. Den Weißdorn (Crataegus laevigata vel monogyna) kennt man auch aus der Phytotherapie als Helfer zur Verstärkung der Herzfunktion und Durchblutung der Herzkranzgefäße. In der Gemmo geht die Wirkung auch noch deutlich in Richtung Regulierung des Blutdrucks und gegen Beklemmungsgefühle im Brustraum.

Bei der Beratung zur Biochemie tauchen weit mehr als früher die Fragen nach Möglichkeiten zur Behandlung von Männerproblemen auf. Das veranlasste mich, es bei solchen Fällen mal mit Gemmo zu versuchen. Hier scheinen Mammutbaum (Sequoia gigantea) und Stieleiche (Quercus robur) – die zwar unterschiedlich wirken – eine erfolgversprechende Alternative zu sein. (Stieleiche: stärkend, tonisierend auf Antriebskräfte; Mammutbaum: Hormon stimulierend).

ENB: Das beliebteste Gemmo-Mazerat ist die Schwarze Johannisbeere (Ribes nigrum). Was sagen Sie zu diesem „Bestseller“ der Gemmotherapie? Jo Marty: Ein vielseitiges, interessantes Mittel, das oft hält, was man sich von ihm verspricht. Mir selbst ist die Wirkungspalette nicht ganz klar. Ich kann es mir nur erklären, wenn ich der Aussage folge, dass die Entzündungshemmung des Mittels auf eine dem Cortison vergleichbare Wirkung des Knospenmazerates zurückgeht. Dieser Effekt konnte bislang substanziell noch keinem bekannten Inhaltsstoff der Knospe zugeordnet werden. Jedenfalls möchte ich diese Mittel weiter und noch gezielter verfolgen, denn bei Asthma, Bronchitis sowie Magenproblemen kann ich der schwarzen Johannisbeere Erfolg nachsagen.

ENB: Sie sagten einmal, dass Sie vermuten, dass die Mazerate aus Knospengewebe die Lymphe und die Ausscheidungsprozesse anregen. Wie weit sind Sie heute mit dieser Annahme?

Jo Marty: Das ist ein Erklärungsversuch über die positive Wirkung verschiedener Knospenmazerate. Vielleicht ist es doch auch die enorme Kraft, die das teilungsaktive Pflanzengewebe gespeichert hat und nun unserem Organismus zur Verfügung gestellt wird, vielleicht die Hormonnachbarschaft der Pflanzenembryos zu unseren endokrinen Substanzen. Jedenfalls ist in den Gemmomazeraten noch viel Geheimnisvolles verborgen und ich bin sicher, wir werden gewisse Zusammenhänge erst noch entdecken. Nicht zuletzt deshalb ein faszinierendes Gebiet, das immer mehr Interessierte an alternativen Heilmethoden zu erschließen helfen werden.

Herstellung Bei den Gemmopräparaten kommen ausschließlich frische Pflanzenteile zur Verwendung. Diese werden aus Wildsammlung oder biologischem Anbau gewonnen, innerhalb weniger Stunden im Glycerin-Alkoholbad zerkleinert und drei Wochen für die Extraktion gelagert. Danach wird eine D1-Dynamisation hergestellt. Anwendung 2 bis 3-mal täglich 1 Sprühstoß in den Mund, in akuten Fällen 1 Sprühstoß stündlich. Immer beliebter wird die Verwendung von Gemmo-Präparaten mit oder vor dem Einsatz eines homoöpathischen Heilmittels, denn durch ihre drainierende Wirkung kann eine Erstverschlimmerung verringert oder im besten Fall ganz vermieden werden. Gemmomittel werden als Stoffwechselmittel einzeln eingenommen. Es können jedoch bis zu 3 verschiedene Präparate parallel eingesetzt werden. Sie werden zu verschiedenen Zeiten einzeln eingesprüht.

ENB: Am 28. Februar 2016 leiten Sie einen Tageskurs „Einführung in die Gemmotherapie” in Pforzheim. Was erwartet die Teilnehmenden?

Jo Marty: Die Kursbesuchenden werden lernen wie die Gemmotherapie funktioniert, sowie die Hintergründe und Zusammenhänge der spezifischen Inhaltsstoffe kennenlernen. Weiter werden die fünf wichtigsten Gemmomittel genau porträtiert und viele konkrete, praktische Tipps für den Alltag, wie mit den Knospenmazeraten umgegangen werden kann.

ENB: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Auswahl einiger Gemmomittel mit Kurzangaben zur Hauptindikation Knospe Indikation Schwarze Entzündungen Johannisbeere Erschöpfung, Asthma, Allergien, Hautbeschwerden Feigenbaum Reizmagen, Ner- venstörungen, Einschlafschwie- rigkeiten Hagebutte alle akuten Entzün dungen, Immunsys- tem stärkend Walnussbaum Verdauungsorgane, Blähungen, Haut probleme infolge von Stoffwechsel- störungen