Osteopathie bei Hunden

Die Osteopathie ist eine der ältesten manuellen Behandlungsmethoden der westlichen Medizin. Seit über 140 Jahren behandeln Osteopathen Störungen des Bewegungsapparates auf sanfte und effektive Art und Weise. Im Laufe der Zeit hat sich diese Methode stets weiterentwickelt und leistet mittlerweile nicht nur am Menschen gute Dienste, sondern wird auch bei Tieren sehr erfolgreich eingesetzt. Mit genauer Kenntnis der Anatomie gehen speziell ausgebildete Osteopathen mit Fingerspitzengefühl auch bei Tieren auf die Suche nach Blockaden.

Osteopathie – Erfolg seit 140 Jahren

In den Anfangsjahren wurden von Osteopathen hauptsächlich Blockierungen der Gelenke behandelt. Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still entwickelte bereits 1874 die Grundlagen der Osteopathie, wie sie auch heute noch angewandt wird. Aufgrund anatomischer Beobachtungen und Überlegungen entwickelte er spezielle Handgriffe, die das menschliche Gewebe entspannen Osteopathie bei Hunden und Blockierungen lösen. Nach seinem Verständnis ist eine gute Beweglichkeit und Dynamik in allen Körperbereichen Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Gesundheit. Nur so können sich die Selbstheilungskräfte des Körpers voll entfalten. Hierzu ist die Ver- und Entsorgung des Gewebes durch Blut und Lymphflüssigkeit bei intakter Nervenversorgung ausschlaggebend. Da Blockierungen die Beweglichkeit des Körpers einschränken und somit auch die Selbstheilungskräfte des Körpers, waren sie für Andrew Taylor Still ursächlich für eine Vielzahl von Krankheiten. Für ihn war bereits von Anfang an klar, dass Blockierungen in einem Gelenk (oder den Knochen) den Körper in seiner Gesamtheit beeinflussen und auch in einem ganz anderen Bereich des Körpers Symptome verursachen. So ist auch der Name Osteopathie (von altgriechisch osteón „Knochen“ und pathós „Leiden“) entstanden und hat sich bis heute erhalten. Der Erfolg dieser damals neuen und umfassenden Betrachtungsweise des

menschlichen Körpers und die daraus resultierende Behandlung waren bahnbrechend. Schnell verbreitete sich die Osteopathie in den USA und wurde von einer steigenden Anzahl an Ärzten praktiziert. Mit Entstehung der ersten Studiengänge in Osteopathie wurde diese Behandlungsform stets weiterentwickelt und verfeinert. Es folgten neben Behandlungstechniken für Gelenke auch solche für Muskulatur, Bindegewebe oder Organstrukturen. Ein Osteopath betrachtet den menschlichen Körper als untrennbare Einheit. Für ihn sind alle Körperstrukturen direkt oder indirekt miteinander verbunden. Muskelketten oder Faszien (Bindegewebe) können diese Verbindungen herstellen. Da sich die verschiedenen Körperebenen oft gegenseitig beeinflussen, liegt die Ursache mancher Beschwerden nicht am Ort des Symptoms, sondern in einer ganz anderen Region des Körpers. So wird bei einer osteopathischen Behandlung stets der ganze Körper in die Untersuchung mit einbezogen.

Aus Sicht der Osteopathie ist die Beweglichkeit im Gewebe ausschlaggebend für die Aufrechterhaltung der Gesundheit. So können Bewegungseinschränkungen und Blockierungen auf längere Sicht sowohl Schmerzen als auch Funktionsstörungen auslösen. Dabei spielen nicht nur Blockierungen in Gelenken eine Rolle. Auch deutliche Verkrampfungen oder Verhärtungen im Verlauf von Muskelketten oder Verwachsungen im Bindegewebe können die Eigenbewegungen des Körpers stark einschränken und somit als Blockierung wirken.

Das Ziel jeder osteopathischen Behandlung ist es, diese Blockierungen zu finden und sanfte Weise zu lösen. Dabei kommen ausschließlich die Hände zum Einsatz. Der Osteopath tastet mit geschulten Händen, folgt den Spannungen im Gewebe und behandelt mit sanften Handgriffen. Wenn sich Spannungen und Blockierungen lösen, kann der Körper in sein ursprüngliches Bewegungsmuster zurückfinden.

Vom Menschen zum Pferd

Es ist das Verdienst des französischen Tierarztes Dominique Giniaux, der Anfang der 1970er Jahre die Prinzipien der Osteopathie erstmals fundiert auf Pferde übertrug. Als Tierarzt war ihm die Anatomie des Pferdes bereits vertraut, und er konnte Behandlungstechniken erfolgreich am Pferd anwenden. Die Anatomie und Funktionalität von Muskeln, Gelenken, Bändern und Sehnen des Menschen ist denen von Pferden recht ähnlich. Er hat früh festgestellt, dass Pferde ebenso wie Menschen sehr gut auf die osteopathischen Behandlungsimpulse reagieren. Pascal Evrard und Beatrix Schulte Wien brachten diese Form der Pferde-Osteopathie nach Deutschland und entwickelten die Methode weiter. Heute ist die osteopathische Behandlung von Pferden sehr weit verbreitet, wenngleich sie in Deutschland keine staatlich anerkannte Ausbildung darstellt. Es gibt im deutschsprachigen Raum jedoch zahlreiche gut ausgebildete Osteopathen für Pferde, die nicht nur bei Sportpferden Hand anlegen, sondern auch bei Freizeitpferden wertvolle Dienste leisten.

Vom Pferd zum Hund

Über die letzten zehn Jahre hat auch der Stellenwert von Osteopathie bei Hunden stetig zugenommen. Hunde leiden wie wir Menschen viel zu häufig unter zum Teil massiven Beschwerden am Bewegungsapparat und profitieren in sehr hohem Maße von der sanften osteopathischen Behandlung. Da die osteopathische Behandlungsweise von Hunden viele Parallelen zur menschlichen Behandlung aufweist, lassen sich mit genauen Kenntnissen der Anatomie des Hundes Behandlungstechniken recht einfach und effektiv auf den Hund übertragen. Osteopathie ist eine risikoarme Behandlungsmethode und kann daher bereits ab dem Welpenalter zum Einsatz kommen.

Viele Beschwerden beim Hund kommen, wie beim Menschen auch, durch Überoder Fehlbelastungen, die mit der Zeit zu Blockierungen führen. Wird der tierische Körper in eine Schonhaltung gezwungen, kann diese Schmerzen verursachen.

Körpersprache des Hundes

Hunde zeigen es uns meistens an, wenn irgendetwas nicht stimmt oder Schmerzen vorliegen. Manche Hunde möchten plötzlich nicht mehr in den Kofferraum springen, sich nicht mehr bewegen oder spielen. Beim Gassi gehen laufen manche Hunde nur noch langsam hinterher, humpeln oder legen sich gar hin. Andere schleifen mit den Krallen auf dem Boden. Fällt das liebe Haustier gelegentlich mit der Hinterhand um, ist eine Abklärung durchaus sinnvoll.

Selbst Verhaltensänderungen können Hinweise auf mögliche Ursachen geben. Frisst ein Hund zum Beispiel viel Grass, kann eine Magenreizung oder ein blockierter Wirbel vorliegen. Ebenso weist plötzliches aggressives Verhalten auf eine unterschwellige Schmerzsituation hin. Viele Hundebesitzer sind oft sehr sensibel und erkennen rasch, wenn etwas nicht so ist wie immer. Diese Anzeichen können bei Hunden auf bereits bestehende Blockierungen oder gar Erkrankungen hinweisen und sind für Osteopathen wertvolle Hinweise. Mit geschultem Blick achten sie jedoch auch auf das Gangbild, das Hinsetzen und andere Bewegungsabläufe. Jede Abweichung des Bewegungsmusters kann einen wichtigen Hinweis darstellen.

Wenn die Bandscheibe Probleme macht

Der achtjährige Cockerspaniel Rüde Rudi (Name geändert) war an manchen Tagen auf den Hinterläufen sehr wackelig und konnte kaum das Gleichgewicht halten. Anfänglich waren die Besitzer noch guter Dinge, da es immer wieder unauffällige Tage gab und Rudi allgemein noch einen recht fröhlichen Eindruck machte. Nachdem das Ungleichgewicht der Hinterläufe nicht besser wurde und Rudi beim Bürsten des Fells anfing zu knurren und zu schnappen, fragten sie den Tierarzt um Rat. Nach der Untersuchung vermutete der Veterinär bei Rudi eine Diskopathie. Hierbei handelt es sich um Lähmungserscheinungen der Gliedmaßen beim Hund durch einen Bandscheibenvorfall. Umgangssprachlich wird diese Erkrankung auch als „Dackellähme“ bezeichnet. Hierbei kommt es durch den Bandscheibenvorfall zu einer Einklemmung von Nerven.

Die Bandscheibe besteht, wie beim Menschen aus einem Faserknorpel mit einem weichen Gallertkern. Sie befinden sich zwischen jedem Wirbelkörper und wirken wie eine Art Stoßdämpfer, um mechanische Kräfte besser zu kompensieren. Kommt es zu einer Verletzung des Faserknorpels, kann sich der innere Kern nur vorwölben (wie es meist bei größeren Rassen der Fall ist) oder ganz austreten. Beim Vorfall tritt dann auch Flüssigkeit aus und drückt auf umliegende Nerven. Durch diese Einklemmungen kommt es in der Folge zu Rückenmarks- oder Nervenschädigungen. Dies betrifft vor allem Hunde mit langem Rücken und kurzen Beinen, zum Beispiel Pekinesen, Spaniel und Bassets. Aufgrund des besonderen Körperbaus ist die Wirbelsäule dieser Hunde einer hohen Belastung ausgesetzt, was häufig zu Schäden an den Bandscheiben führt.

Zudem neigen einige Rassen auch zu einer frühzeitigen Verkalkung und somit einem Elastizitätsverlust der Bandscheiben, was das Auftreten des Bandscheibenvorfalls beschleunigen kann. Häufig treten die Vorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule auf. Besteht der Verdacht auf eine Diskopathie ist es wichtig, die Beschwerden rasch abklären zu lassen, da ein unbehandelter Bandscheibenvorfall für den Hund nicht nur sehr schmerzhaft ist, sondern auch zu bleibenden Lähmungen führen kann.

Zusätzlich zu einer rassenbedingten Veranlagung gibt es jedoch auch einige bekannte Risikofaktoren, die eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und somit auch Bandscheibenvorfälle begünstigen. Hierzu zählen neben Übergewicht beim Hund auch eine hohe Beanspruchung der Wirbelsäule. Häufiges Treppensteigen ist ebenso ungünstig wie Sprünge aus großer Höhe, wie sie vom Auto oder Sofa auftreten können. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass bei Katzen Bandscheibenvorfälle nur sehr selten auftreten. Wenn der Hund stark an der Leine zieht, kann das Tragen eines Brustgeschirrs sinnvoll sein. Hierbei wird die Zugbelastung auf die Halswirbelsäule reduziert.

Um die Verdachtsdiagnose zu erhärten, führte der Tierarzt bei Rudi noch eine Röntgenuntersuchung durch, um mögliche knöcherne Ursachen durch einen Bruch auszuschließen. Die sichere Diagnose kann jedoch nur durch eine Magnetresonanztomografie, Computertomografie oder Myelografie (Untersuchung des Rückenmarks mit einem Kontrastmittel) geben. Hier lässt sich feststellen, ob ein Bandscheibenvorfall vorliegt oder die Beschwerden von einer Entzündung oder einem Tumor herrühren. Da diese bildgebenden Verfahren beim Hund jedoch in Vollnarkose durchgeführt werden müssen, wurde bei Rudi zunächst darauf verzichtet. Der Tierarzt verordnete ein entzündungshemmendes und schmerzstillendes Medikament, wodurch sich die Symptome in den Tagen danach besserten.

Außerdem sollte Rudi Ruhe halten und sich schonen. Um die Heilung zu unterstützen, wurde vom Tierarzt Osteopathie empfohlen. Mit sanften Griffen gegen den Schmerz Außer beim Tierarzt war Rudi zuvor noch nie anderweitig in einer Behandlung gewesen, und die Besitzer von Rudi waren zunächst etwas skeptisch, ob ihr Rüde die Behandlung und den direkten Körperkontakt durch einen Fremden überhaupt akzeptieren würde. Erfahrungsgemäß tolerieren Hunde den Kontakt durch einen Osteopathen sehr gut und können sich nach kurzer Zeit entspannen. Tiere haben ohnehin ein sehr feines Gespür und nehmen instinktiv wahr, dass die Berührung zu ihrem Wohlbefinden beiträgt. So beruhigte sich auch Rudi nach der Begrüßung recht schnell und gab sich ganz entspannt und friedlich der Behandlung hin. Durch ein tiefes Ausatmen oder Gähnen zeigen Hunde, dass die Behandlungsimpulse im Gewebe ankommen. Für die Prognose sind diese Reaktionen meist ein sehr gutes Zeichen.

Bei der osteopathischen Untersuchung zeigten sich bei Rudi deutliche Spannungen der Muskulatur der Wirbelsäule und Blockierungen des vierten und fünften Lendenwirbels. Meistens gelingt es bereits mit sanftem Druck, die blockierten Wirbel zu lösen und die Bewegung zu verbessern. Ein ruckartiges Mobilisieren (Einrenken) ist in den seltensten Fällen notwendig. Bei Rudi wurde zusätzlich noch die Muskulatur der gesamten Wirbelsäule gelockert. Es folgten zunächst vier Behandlungen im wöchentlichen Abstand, in deren Verlauf die Medikation zunächst reduziert und dann gänzlich abgesetzt werden konnte. Zwischen den osteopathischen Behandlungen wurde Rudis Besitzern gezeigt, wie sie mit gezielten Druckpunkten die Behandlung unterstützen können. Danach folgten noch zwei weitere Behandlungen im 2-wöchigen Abstand bis Rudi wieder offensichtlich schmerzfrei war. Die Instabilität der Hinterläufe hatte sich ebenso gelegt, wie die lustlosen Spaziergänge. Auch das regelmäßige Bürsten genoss Rudi wieder sichtlich, sehr zur Freude von Frauchen und Herrchen.

Johanna Hartlieb Staatl. anerkannte Physiotherapeutin Osteopathin Heilpraktikerin Raidho Trainerin Referentin & Autorin Mama