Unruhige Nächte, Stillprobleme, Schiefhaltungen der Wirbelsäule oder Verdauungsstörungen sind typische Erscheinungen der ersten paar Lebenswochen, deren Ausprägung durch Blockierungen verstärkt wird. Zudem machen Babys bei der Entwicklung zum Kleinkind besonders in den ersten Lebensmonaten täglich neue Erfahrungen und durchleben aufeinander folgende Wachstumsschübe. Während der oralen Phase erkunden sie dann die Welt, indem sie alles in den Mund nehmen. Die Zähne wachsen, und sie beginnen zu fremdeln. All dies sind wichtige Entwicklungsschritte, die für eine körperliche und emotionale Entwicklung wichtig sind.
Im Alter von 8 bis 10 Monaten beginnen Kinder damit, sich an allem Möglichen hochzuziehen. Sei es der Stuhl, der Schank oder das Bein von Mama. Mit 16 Monaten sind dann etwa 90 Prozent aller Kleinkinder in der Lage zu laufen. Wenn die ersten Wörter aus dem Mund kommen, gehört auch das Tragen der Windel bald der Vergangenheit an. Aus dem bedürftigen Säugling wird ein Kleinkind mit eigenem Kopf und eigenem Willen. Viele anfänglichen Beschwerden eines Säuglings werden häufig als normal hingenommen und als sogenannte Regulations- oder Anpassungsstörung abgetan. Nicht selten liegt deren Ursache jedoch in geburtsbedingten Blockierungen der Wirbelsäule oder anderer Gelenke. Selbst die Lage im Bauchraum hat auf die Entwicklung des Kindes und dessen Bewegungsapparat einen gewissen Einfluss. Neben Blockierungen führt die einwirkende Druckbelastung auch zu Gewebespannungen, die einer Stauchung recht ähnlich sind.
Osteopathen sind sich seit Jahrzehnten diesen Zusammenhängen bewusst. Sie verfügen über ein breites Erfahrungswissen und einen feinen Tastsinn, um diese manchmal subtilen Spannungen schon beim Neugeborenen aufzuspüren und sanft zu behandeln.
Regulationsstörung und die Verdauung
Verdauungsstörungen sind im ersten Lebensjahr sehr häufig und können vor allem die ersten Lebensmonate erschweren. Das gesamte Verdauungssystem des Kindes muss sich an die neuen Lebensumstände und Aufgaben gewöhnen. Dabei sind Begleiterscheinungen wie Blähungen und Bauchschmerzen sehr häufig. Sowohl bei gestillten Kindern als auch bei solchen, die Flaschennahrung bekommen. Tritt bei Säuglingen in den ersten Lebenswochen vermehrtes und unstillbares Schreien auf, ist das Kind zudem sehr schwer zu beruhigen und das Bäuchlein stark gebläht, spricht man umgangssprachlich von den Dreimonatskoliken. Diese Störung bezeichnet eine allgemeine Verhaltensauffälligkeit, deren Ursache medizinisch noch nicht gänzlich geklärt ist. Es wird daher auch hier, wie bereits erwähnt, von einer Regulations- oder Anpassungsstörung gesprochen. Diese liegt laut Definition dann vor, wenn die sogenannte Dreierregel zutrifft: Das Kind schreit über mindestens drei Wochen, an mindesten drei Tagen pro Woche über mindestens drei Stunden pro Tag.
Aus medizinischer Sicht harmlos und ungefährlich klingt diese Störung nach mehreren Monaten von alleine wieder ab. Ganz nach dem Motto: Das verwächst sich. Für die junge Familie und nicht zuletzt das Neugeborene selbst ist diese Phase jedoch eine unnötige Belastung. Besonders dann, wenn Gewebespannungen oder Blockierungen die Symptome verstärken oder hervorrufen. Dabei gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, dem Säugling auf sanfte Weise und ohne Nebenwirkungen zu helfen.
Bei der osteopathischen Untersuchung werden in diesem Zusammenhang regelmäßig Blockierungen einzelner oder auch mehrerer Halswirbel festgestellt. Diese resultieren meistens aus den einwirkenden Kräften bei der Geburt. Einseitige Blockierungen der Wirbelsäule führen zu ausgeprägten Vorzugshaltungen bei der Kopfdrehung des Kindes. Viele Eltern bestätigen dann auf Rückfrage, dass ihr Kind zuhause beim Liegen eine „Lieblingsseite“ hat. Diese kann je nach Stärke und Dauer der Ausprägung zu deutlichen Asymmetrien der Kopfform führen.
Durch eine Blockierung des ersten Halswirbels (Atlas) wird zudem der wichtigste Verdauungsnerv irritiert (Nervus Vagus), wodurch sich in der Folge leider viele Verdauungsstörungen verstärken. Eine sanfte osteopathische Mobilisation der Halswirbelsäule und Dehnung der Muskulatur lockern das Gewebe meistens schon nach der ersten Behandlung. Die Schreianfälle werden weniger und durch ein Spannungsgleichgewicht der Muskulatur reduzieren sich Vorzugshaltungen.
Die Schüßler Salze
Neben einer möglichst frühzeitigen osteopathischen Untersuchung der Wirbelsäule, sind Mineralsalze nach Dr. Schüßler eine sehr gute Möglichkeit, Körperfunktionen auf natürliche Weise zu unterstützen. Die Regulationsstörungen der ersten Lebensmonate können dadurch sanft abgemildert und der Stoffwechsel unterstützt werden.
Die sogenannten Schüßler-Salze wurden Ende des 19. Jahrhunderts vom Oldenburger Arzt und Homöopath Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler (1821-1898) entwickelt. Er war von den Erkenntnissen Rudolf Virchows zur Funktionsweise menschlicher Körperzellen sehr beeindruckt. Das Zusammenwirken und die Funktion der einzelnen Zellen ist für die Gesundheit des gesamten Körpers entscheidend. Dr. Schüßler erweiterte Virchows Lehren und untersuchte, was die Zellen gesund und leistungsfähig hält. Er kam zu der Überzeugung, dass jede Körperzelle einen bestimmten Bedarf an Mineralstoffen benötigt. Kommt es zu Störungen im Mineralstoffhaushalt oder werden die Zellen nur unzureichend mit Mineralen versorgt, führt dieser Mangelzustand in der Folge zu Krankheiten. Schüßler fand heraus, dass bestimmte Mineralstoffe, die Mineralsalze, für die Ernährung der Zellen besonders wichtig sind. Im Verlauf seiner Forschung fand er 12 Mineralsalze und nannte sie „biochemische Funktionsmittel“, da sie auch im Stoffwechsel unseres Körpers auf natürliche Weise vorkommen. Heute kennen wir diese zwölf Funktionsmittel als Schüßler Salze.
Die von Dr. Schüßler beschriebenen zwölf Mittel haben für die Zellen somit eine regulierende Funktion und wirken laut Schüßler in besonderem Maße, wenn sie in stark verdünnter Form aufgenommen werden. Die verschiedenen Mineralsalze haben dabei ganz unterschiedliche Aufgaben im Körper und kommen daher auch bei verschiedenen Symptomen oder Funktionsstörungen zum Einsatz.
Nr. 1 Calcium fluoratum D12: Das Bindegewebemittel, hilft bei verhärtetem Gewebe
Nr. 2 Calcium phosphoricum D6: Unterstützt den Aufbau der Knochen, besonders für Kinder im Wachstum wichtig
Nr. 3 Ferrum phosphoricum D12: Erstes Entzündungsmittel bei akuten Entzündungen wie Hautausschlägen
Nr. 4 Kalium chloratum D6: Zweites Entzündungsmittel bei Schnupfen, Husten mit Schleim oder auch Warzen
Nr. 5 Kalium phosphoricum D6: Nervenmittel bei Stress, Schlafstörungen und Konzentrationsmangel
Nr. 6 Kalium sulfuricum D6: Drittes Entzündungsmittel bei Sekreten in den Atemwegen, aber auch Verdauungsproblemen
Nr. 7 Magnesium phosphoricum D6: Nervenmittel bei innerer Unruhe, Kopfschmerzen und Migräne
Nr. 8 Natrium chloratum D6: Flüssigkeitsmittel bei nässenden Zuständen, z.B. Augentränen oder Schwitzen
Nr. 9 Natrium phosphoricum D6: Säuren-Basenmittel bei Magenbeschwerden und Sodbrennen
Nr. 10 Natrium sulfuricum D6: Ausleitungssalz zum Entschlacken und Abführen
Nr. 11 Silicea D12: Bindegewebemittel für Haut, Haar und Knochen
Nr. 12 Calcium sulfuricum D6: Schleimhautmittel, regeneriert angegriffene Schleimhäute
Es handelt sich bei den Schüßler Salzen nicht um die mineralische Verbindung, sondern um eine potenzierte Form des Ausgangsstoffes. Dabei wird das Ursprungsmineral in bestimmten Verfahren und mehreren Arbeitsschritten verdünnt und verrieben. Durch diese sogenannte Potenzierung wird die Aufnahme des Mineralstoffes in die Zelle verstärkt. Schüßler wählte für die leicht löslichen Mineralstoffe die homöopathische Potenzierung D6 und für die schwer löslichen Salze die homöopathische Potenzstufe D12. Bei einer D6 ist das Ursprungsmineral im Bereich eines Tausendstel Milligramm enthalten. Unter naturwissenschaftlicher Betrachtung ist daher die Behandlung eines Mineralstoffmangels auf diese Weise nicht möglich. In der Biochemie nach Schüßler ist jedoch nicht die verabreichte Menge das Entscheidende, sondern die Zielgenauigkeit, mit der Mineralien in die Zellen gelangen. Die Schüßler-Salze sollen dafür sorgen, dass Minerale überhaupt erst in die Zelle aufgenommen werden. Voraussetzung ist natürlich, dass bereits genügend Mineralien dem Körper durch die Ernährung angeboten oder entsprechend eingenommen werden.
Schüßler Salze bei Säuglingen
Seit vielen Jahrzehnten werden die Mineralsalze nach Dr. Schüßler in der Medizin erfolgreich eingesetzt. Es liegen zahlreiche Erfahrungswerte zu einer Vielzahl an Symptomen vor. Da die zwölf Mineralsalze mit natürlichem Ausgangsmaterial behandeln, ist auch bei Neugeborenen bereits eine Anwendung möglich. Zum einen sind die Mineralsalze im ersten Lebensjahr zugelassen und zum anderen im Vergleich zu vielen Arzneimitteln praktisch nebenwirkungsfrei.
Bei Babys werden die Mineralsalze entweder als Tabletten oder als Creme verabreicht. Seit einigen Jahren gibt es die Schüßler Salze auch als Streukügelchen, die bei Neugeborenen besonders einfach anzuwenden sind. Diese Darreichungsform ist bei Säuglingen am besten. Schüßler-Salze in Tablettenform, die auf Basis von Milchzucker hergestellt wurden, können Beschwerden bei Laktoseintoleranz verstärken. Bei einer Glutenunverträglichkeit, erkundigen Sie sich besser in der Apotheke, inwiefern ein von Ihnen favorisiertes Salz in Tablettenform möglicherweise Weizenstärke enthält. Das kann durchaus vorkommen.
Die Verwendung in Tropfenform ist bei Kindern ungeeignet, da sie mit Alkohol konserviert werden.
Dosierung und Anwendung
Die Mineralsalze nach Dr. Schüßler werden üblicherweise als Tablette angewendet. Dabei wird die entsprechende Menge für Babys in etwas Wasser oder Tee (Fenchel/Kümmel) aufgelöst und mit dem Fläschchen gegeben. Alternativ dazu kann die entsprechende Anzahl der Tagesdosis von jedem Mineralsalz auch mit etwas abgekochtem Wasser zu einem Brei aufgelöst werden. Dieser Brei wird dann dem Säugling direkt in den Mund gestrichen.
Werden Kinder gestillt, kann auch die Mutter die Mineralsalze in einer Dosierung für Erwachsene einnehmen, und das Baby bekommt sie direkt mit der Muttermilch. Es ist ratsam, die Mineralsalze vor dem Schlucken im Mund zergehen zu lassen. So kann die Wirkung bereits über die Mundschleimhaut stattfinden. Außerdem sollten sie nicht direkt vor oder nach dem Essen eingenommen werden.
Die beste und auch einfachste Möglichkeit Schüßler Salze bei Säuglingen anzuwenden, ist die Darreichung als Streukügelchen (Globuli). Dabei entsprechen 5 Globuli der Menge einer Tablette des Mineralsalzes. Die Streukügelchen können so entsprechend der Dosierung für Säuglinge direkt in den Mund gegeben werden. Ebenso ist es natürlich möglich, die Streukügelchen im Fläschchen aufzulösen und dem Kind auf diese Weise zu verabreichen.
Dreimonatskoliken beim Säugling
Die Ursachen für Dreimonatskoliken sind sehr vielfältig. Auslöser kann eine angespannte oder gestresste Umgebung sein. Blähungsfördernde Nahrungsmittel, die von stillenden Müttern gegessen werden, kommen ebenso in Betracht wie Unverträglichkeiten gegenüber dem Milchpulver bei Flaschenkindern. Dreimonatskoliken äußern sich durch ausgedehnte Schreiattacken über Stunden und sind häufig am Abend verstärkt. Der Bauch ist aufgebläht, fühlt sich hart an und die Babys ziehen die Beine an den Bauch. Für die innerliche Anwendung hat sich folgende Kombination aus den Schüßler Salzen bei Blähungen und Dreimonatskoliken bewährt.
Für eine äußerliche Anwendung kann zur Unterstützung eine Salbenmischung folgender Verbindungen zur Linderung der Symptome beitragen.
Nr. 7 Magnesium phosphoricum D6
Nr. 10 Natrium sulfuricum D6
Es wird empfohlen, von jedem Mineralsalz 1 Tablette in abgekochtem Wasser zu einem Brei aufzulösen. Der Brei wird dem Säugling dann direkt in den Mund gestrichen. Alternativ können die Tabletten auch in einem Fläschchen aufgelöst werden und dem Baby auf diese Weise verabreicht werden. Die Salbenmischung kann auch als Wickel angewendet oder auf dem Bauch einmassiert werden. Bei der Verwendung von Streukügelchen werden jeweils 5 Globuli über den Tag verteilt direkt in den Mund (Wangentasche) gegeben.
Verstopfung beim Säugling
Unter Verstopfungen leiden häufig Säuglinge, die nicht gestillt werden und von Anfang an die Flaschennahrung bekommen haben. Osteopathisch kommen neben Blockierungen der Halswirbelsäule auch Störungen im Bereich der Lendenwirbelsäule oder des Kreuzbeins als Ursache in Betracht.
Stuhlgang sollte bei Säuglingen, die mit der Flasche gefüttert werden, mindestens jeden zweiten Tag erfolgen. Bei gestillten Kindern hingegen darf der Stuhlgang auch nur alle fünf bis sechs Tage erfolgen. Dies gilt auch, wenn die Muttermilch abgepumpt und über die Flasche gegeben wird. Meistens erfolgt der Stuhlgang jedoch täglich und in den ersten sechs Lebenswochen sogar mehrmals am Tag.
Folgende Kombination der Mineralsalze nach Schüßler kann bei Verstopfung Abhilfe schaffen. Diese Kombination eignet sich auch bei Verstopfungen von Kleinkindern.
Nr. 1 Calcium fluoratum D12
Nr. 7 Magnesium phosphoricum D6
Von jedem Präparat wird bei Säuglingen jeweils 1 Tablette gemeinsam aufgelöst und als Brei gegeben. Alternativ ist es auch hier möglich, die Tagesdosis mit abgekochtem Wasser über das Fläschchen zu geben. Bei Verwendung von Streukügelchen werden von jedem Präparat jeweils 5 Streukügelchen über den Tag verteilt gegeben.
Durchfall bei Säuglingen
Die größte Gefahr von Durchfällen bei Säuglingen ist die innere Austrocknung. Besonders bei starken und andauernden Durchfällen besteht die Gefahr von schnellem und starkem Flüssigkeitsverlust des Körpers. Die Zufuhr von Flüssigkeit und Mineralstoffen ist in diesem Falle sehr wichtig: Gehen Sie daher bei anhaltendem Durchfall zum Kinderarzt, insbesondere dann, wenn das Baby matt, schläfrig und erschöpft wirkt. Bei diesen Zeichen ist eine Behandlung zuhause nicht sinnvoll. Folgende Schüßler-Salz-Kombination kann bei erstmalig aufgetretenem Durchfall Abhilfe schaffen. Diese Kombination eignet sich auch bei Durchfällen in jedem Kindesalter.
Nr. 3 Ferrum phosphoricum D12
Nr. 4 Kalium chloratum D6
Von beiden Präparaten wird jeweils 1 Tablette gemeinsam aufgelöst und als Brei gegeben. Alternativ ist es auch hier möglich, die Dosis mit etwas abgekochtem Wasser über das Fläschchen zu geben.
Wenn Streukügelchen zum Einsatz kommen, werden jeweils 5 über den Tag verteilt direkt in den Mund (Wangentasche) gegeben.
Jahrgang 1982, staatl. anerkannter Osteopath und Heilpraktiker, Mitglied im Verband der Osteopathen Deutschland e.V. Seit 2008 in eigener Praxis in Pforzheim tätig mit den Schwerpunkten Osteopathie, Psychotherapie und pferdegestützte Therapie. Die Praxis ist Lehrpraxis der Hochschule Fresenius.