So geht Faszientraining

Von Daniel Otmar, Faszientherapeut Die Faszienrolle ist mittlerweile kaum noch wegzudenken. Sie steht für das Faszientraining schlechthin und selbst Discountmärkte haben sie regelmäßig im Sortiment. Aber wie gehe ich damit richtig um und warum sollte ich meine Faszien überhaupt trainieren?

Faszien kurz erklärt

Faszien sind sehr feine bis mehrere Millimeter dicke Häute. Sie umhüllen netzartig Knochen, Muskeln, Organe, Nerven und verbinden so alle Bestandteile des Körpers flexibel miteinander. Faszien sind stark daran beteiligt, wie beweglich wir sind. Eine gesunde Faszie sorgt dafür, dass Muskeln, Nerven, Organe beweglich und zueinander gleitfähig bleiben. Stellen Sie sich einmal vor, Sie tragen eine enge Jeanshose oder einen maßgeschneiderten Anzug. Sind Sie mit diesen Kleidungsstücken nicht weit weniger beweglich als mit der geliebten Jogginghose? So können Sie sich auch Faszien vorstellen: Viele einzelne, übereinander liegende, geschmeidige Gewebsschichten, die unabhängig voneinander und übereinander gleitfähig sein müssen. Ist dies der Fall, geben sie uns die nötige Beweglichkeit. Genauso verhält es sich mit der geliebten Jogginghose, die uns den nötigen Raum für Bewegung gibt.  

Warum Faszientraining?

Das größte Problem unserer modernen Zivilisation ist unser einseitiger und oft eingeschränkter Alltag. Unsere Bewegungen sind stark nach „innen gerichtet“. Autofahren, Büro, kochen, Handy oder Fernsehschauen. Die meiste Zeit haben wir nur einen kleinen Bewegungsradius. Dies trägt dazu bei, daß Faszien verkleben. Dadurch bauen Muskeln Spannung auf, Schmerzen entstehen und unsere Körperhaltung verändert sich. Faszien sind wie Gummibänder, die Bewegung brauchen. Was können Sie nun tun, wenn Sie einen Bürojob oder Steharbeitsplatz haben, oder ihn schon seit 30 Jahren ausüben, und sich dies in Ihrem Körper und der Körperhaltung zeigt? Genau hier kommt Faszientraining ins Spiel. Was wäre, wenn ich Ihnen sage, dass Faszien bis ins hohe Alter veränderbar und anpassungsfähig sind. Doch beim Faszientraining ist Vorsicht geboten. Um wirkliche Erfolge zu erzielen, brauchen Sie ein paar Richtlinien bzw. Prinzipien. In meinem Faszientraining gibt es insgesamt 11 davon. Die 4 wichtigsten Prinzipien stelle ich Ihnen in diesem Artikel vor. Viel Spaß dabei!

Wie trainiere ich Faszien?

Bevor wir mit den Prinzipien starten, eines vorweg. Es gibt verschiedene Werkzeuge, um Faszien zu trainieren. Ich sage ganz bewusst Werkzeuge. Denn stellen Sie sich einen Handwerker vor, der alles mit dem Hammer zu reparieren versucht. Wie weit würde er damit kommen? Ein guter Handwerker hat mehrere Werkzeuge, die er an der entsprechenden Stelle einsetzt. Die 3 wichtigsten Werkzeuge, um Faszien zu trainieren, möchte ich Ihnen vorstellen. Ich werde Ihnen auch genau erklären, welche ich aus den verschiedensten Gründen bevorzuge.

  1. Bewegen Ja Sie lesen richtig. Wenn Sie sich bewegen, trainieren Sie ihr Muskeln aber auch Ihre Faszien. Der Unterschied ist: Muskeln brauchen Gewicht oder Widerstand, um zu wachsen. Faszien brauchen hingegen große und komplexe Bewegungen, um geschmeidig zu bleiben. Wenn Sie statt dem Spaziergang eine halbe Stunde Nordic Walking ausüben, haben Sie Ihre Faszien im Oberkörper deutlich mehr trainiert als beim Spazierengehen. Bei regelmäßigem Nordic Walking würden Sie im Oberkörper flexibler bleiben als mit dem bloßen Spaziergang. Statt der Liegestütze wären 20-30 Hampelmänner, so wie wir sie im Kindergarten gelernt haben, eine bessere Wahl für unsere Faszien. Es geht also um große, lange und dehnende Bewegungen. Hier gilt: Je mehr Bewegungsvielfalt desto besser. Bewegung ist aus meiner Sicht das Basis- Werkzeug und sollte in jedem Tagesablauf ausreichend vorkommen. Die Realität sieht leider anders aus. Dies soll kein „beweg Dich endlich“-Aufruf sein, sondern vielmehr die Hindernisse in unserem Alltag aufzeigen. Was ist, wenn mir nur ein Minimum an Zeit zur Verfügung steht? Wenn ich einfach nicht die Kraft besitze, 45 Minuten Sport zu betreiben. Oder viel schlimmer, die einfache Bewegung schmerzt. In solchen Fällen braucht es ein anderes Werkzeug.
  2. Dehnen Bestimmt haben Sie in Ihrem Leben einige Dehnübungen ausgeführt. Oft wird beim Dehnen der Muskel für 1-2 Minuten gehalten Dies kommt natürlich auch der Faszie zu gute. Dieser Dehnimpuls regt unseren Körper an, die Faszien flexibler umzubauen. Auf regelmäßiger Basis wären Sie deutlich flexibler, schmerzfreier und hätten bei der richtigen Übungsauswahl eine bessere Körperhaltung. Dehnen wäre mit einem kleinen Zeitaufwand zu bewerkstelligen. Somit ist dies sehr gut für Menschen mit wenig Zeit geeignet. Auch für Menschen, die bei einfachen Bewegungen unter Schmerzen leiden. Manchmal kommt es aber vor, daß Dehnen nicht zum Ziel führt. Dann braucht es wiederum ein anderes Werkzeug.
  3. Rollen Die dritte Möglichkeit, Faszien zu trainieren, ist das Ausrollen mit einer Faszienrolle. Dies bewirkt das Rehydrieren der Faszie. Einfach ausgedrückt, die Faszie wird ausgewrungen wie ein Schwamm. Dadurch kann die Faszie nach dem Rollen mehr Flüssigkeit aufnehmen, wird flexibler und geschmeidig. Zusätzlich lösen sich durch das Rollen Verklebungen von Faszien, Schmerzrezeptoren und Nerven. Schmerzen reduzieren sich, die Beweglichkeit steigt und die Körperhaltung richtet sich auf. Das Faszienrollen wäre auch für Menschen mit schmerzenden Bewegungen geeignet. Das interessante an dem Ausrollen der Faszie ist, daß danach andere Werkzeuge wie das Dehnen besser funktionieren. Somit ist für mich das Faszienrollen eine der effektivsten und schnellsten Methoden, um Faszien zu trainieren. Wenn Sie für sich nun das richtige Werkzeug gefunden haben, sollten Sie immer die 4 Grundprinzipien des Faszientrainings berücksichtigen.

Prinzip Nr. 1 – Schmerzen

Die erste Gefahr im Faszientraining mit oder ohne Faszienrolle sind die Schmerzen. Auch wenn Sie es anders gehört haben, sollten Sie beim Faszientraining nie übermäßig viele Schmerzen haben. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen ziehen sich Faszien unter starkem Schmerzeinfluss zusammen, das Nervensystem wird stimuliert und der Muskelturnus steigt, was zu Verspannungen führen kann. Zum anderen reagiert das Schmerzgedächtnis. Dazu ist es wichtig zu wissen, daß Schmerzen zu 100% im Gehirn entstehen. Das bedeutet, dass unser Gehirn entscheidet, wann Schmerz signalisiert wird und wann nicht. Wie bei einer Alarmanlage. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, Schmerzen auch im Faszientraining zu vermeiden. Gerade bei Schmerzpatienten, bei denen die „Alarmanlage“ oft überreizt ist und verrückt spielt. Das Prinzip für dieses Problem nenne ich Wohlfühlskala. Stellen Sie sich eine Skala von 1-10 vor. 1 bedeutet kein Schmerz, 10 bedeutet maximaler Schmerz. Das Ziel beim Faszientraining sollte sein, nie über die 5 zu kommen. Egal welche Übungen Sie ausführen, Sie bleiben immer im Wohlfühlbereich. Dies verhindert, dass Ihr Nervensystem hochfährt und Ihr Gehirn unnötig gereizt wird. Sie erfahren das Faszientraining als eine Wohltat und nicht als Qual. Als eine Entspannungseinheit statt einer Folter. Tipp: Nutzen Sie als Anfänger eine Pilatesrolle (meist Blau) statt einer klassischen Faszienrolle. Diese ist weicher als eine herkömmliche Faszienrolle. Der Effekt wird der gleiche sein, nur die Schmerzen werden im Wohlfühlbereich bleiben.

Prinzip 2 – Testen

In meinem Faszientraining gibt es knapp 100 Übungen. Was viele nicht wissen ist, daß Übungen für manche Menschen sehr gut sind, die gleichen Übungen einem anderen Menschen mit demselben Problem aber schaden. Um Ihr Faszientraining wirklich effizient zu gestalten, müssen Sie Übungen finden, die Schmerzen lindern, und jene weglassen, welche sie verschlimmern. Stellen Sie sich vor, wie schnell und einfach Sie Ihrem Körper etwas Gutes tun könnten, wenn Sie nur 3 Übungen wüssten, die Sie sofort beweglich und schmerzfrei machen würden. Für dieses Problem gibt es Prinzip Nr. 2 – Testen. Bevor Sie eine Übung ausführen, testen Sie. Sie können Ihren Schmerz testen oder Ihre Beweglichkeit. Je nachdem was Sie verbessern möchten. Ein Beispiel bei Schulterschmerzen: Sie stellen sich hin und bewegen langsam die Schulter. Zur Seite, nach vorne, nach hinten und in der kreisenden Bewegung. Sie merken sich, wie beweglich die Schulter in den verschiedenen Richtungen ist, in welchen Bereichen die Scherzen auftraten und wie stark. Nun führen Sie eine Übung aus. Dehnen oder rollen Sie die Schultermuskulatur und testen nach. Jetzt sollte Ihre Beweglichkeit erhöht und die Schmerzen deutlich reduziert sein. Wenn nicht, ist es schlicht und einfach nicht Ihre Übung für dieses Problem. Diesen Ablauf machen Sie mit allen Übungen, die Ihnen Ihr Arzt oder Therapeut empfohlen hat. Selbst bei Empfehlungen von Freunden oder Übungen aus dem Internet. Sie sollten immer Testen. Hier gilt: Eine Übung sollte Sie SOFORT und deutlich beweglicher machen und Ihren Schmerz stark senken. Wenn nicht, weg mit der Übung.

Prinzip Nr. 3 – Gewohnheit

Stellen sie sich vor, Sie müssten jeden Morgen daran denken, die Zähne zu putzen. Oder wie schwer es am Anfang war, ein Auto zu fahren. Durch ständiges Wiederholen wird auch eine anstrengende Tätigkeit zur Gewohnheit. Der Trick ist jetzt, Ihre Gewohnheiten im Alltag zu erkennen und die Übungen an eine vorhandene Gewohnheit dran zu hängen. Beispiel: Sie schauen täglich um 20:00 Uhr die Tagesschau. Wenn Sie jedes Mal beim Beginn der Tagesschau Ihre Übungen nebenher absolvieren würden, wäre innerhalb kurzer Zeit eine Verbindung zwischen der Tagesschau und Ihren Übungen hergestellt. Wenn dann die Tagesschau anfängt, erinnern Sie sich sofort daran, Ihre Übungen zu tun.

Prinzip 4 – Wasser

Ja ich weiß, das Thema Wasser haben Sie bestimmt schon etliche Male gehört. Trotzdem ist dieses banale Thema so wichtig. Wenn Sie mit größeren Beschwerden ins Krankenhaus kommen, werden Sie in der Regel an einen Tropf angeschlossen. Eine Kochsalzlösung mit 99% Wasser. Erinnern Sie sich auch, was beim Faszienrollen passiert? Eine Rehydration der Faszien. Die Faszien saugen sich durch das Rollen voll mit Flüssigkeit und werden geschmeidig. Dies geht aber nur, wenn genügend Wasser vor Ort ist. Stellen Sie sich auch mal vor, wie Ihre Faszien aussehen bzw. was mit ihnen passiert, wenn wenig Wasser vorhanden ist. Genau. Sie vertrocknen und verkleben. Wassermangel ist einer der größten Faktoren, warum Faszien verkleben.

Fazit

Wenn Sie auf regelmäßiger Basis diese Prinzipien anwenden und Übungen gezielt auswählen oder streichen, während des Trainings im Wohlfühlbereich bleiben und Ihrem Körper ausreichend Wasser geben, dann haben Sie ein gutes Fundament, um Ihre Schmerzen hinter sich zu lassen und aktiv am Leben teilzunehmen.

Daniel Otmar Jahrgang 1982, ist Faszientherapeut und Mentaltrainer. Geprägt durch seinen eigenen Leidensweg mit jahrelangen Rücken- und Nackenschmerzen, lernte er auf seinem Weg der Heilung viele Mentoren zu den Themen Nährstoffe, Mentaltraining und Faszien kennen. Er ließ sich von ihnen ausbilden, konnte seine Schmerzen hinter sich lassen und hilft nun Menschen mit Schmerzen, Haltungsproblemen und mentalen Blockaden.