Wie ist es jedoch, mit Bienen zu arbeiten, mit ihnen zu leben? Welche Beziehung haben Imker und Imkerinnen zu diesen Tieren? Dazu gibt es unter Hobbyimkern einen mit Schmunzeln vielzitierten Spruch: „Erst hat man Bienen, dann haben Einen die Bienen.“ Das ist so wahr, zumindest wenn man nicht rechtzeitig die Reißleine zieht und es lieber wieder sein lässt. Denn anders als vielfach gedacht, braucht man zum Imkern viel Zeit, Platz, Geld und ein verständnisvolles, stabiles Umfeld, das einen häufig entbehren muss und dann honigklebrig, propolisverschmiert und von seinen Bienen schwärmend wieder zurückbekommt. Man gibt seine zeitliche Unabhängigkeit im Sommerhalbjahr auf und tritt dafür ein in eine Welt, die schöner kaum sein kann.
IMKERIN ODER IMKER WERDEN – ABER KLAR DOCH!
Wer selbst Honigbienen halten möchte, muss zunächst viel lernen. Am besten geht das in einem Imkerkurs oder man begleitet einen Bienenhalter durch ein gesamtes Bienenjahr und hat damit sogleich einen Imkerpaten an seiner Seite. Sich ohne die nötige Sachkenntnis ein Bienenvolk wie ein Insektenhotel auf die Wiese zu stellen, ist verantwortungslos und wird zu keinem Erfolg führen. Vielmehr gefährdet man neben seinen eigenen Tieren auch die Bienen im nächsten Umfeld. Natürlich haben Honigbienen über Jahrtausende autark in den Wäldern gelebt. Unsere Immen, wie wir sie heute kennen, sind aber größtenteils domestiziert und vielfach auf die sachgemäße und bestenfalls wesensgemäße Betreuung des Menschen angewiesen. Vor allem sind sie das bei der Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen, wie der weltweit verbreiteten Varroamilbe. Das klingt nach viel Aufwand und Arbeit. Ist es auch. Schon zu Beginn der Bienenhaltung muss man genau planen, an welchem geeigneten Platz man seinen Bienenstand errichtet, welche Ausrüstungsgegenstände, Geräte und Materialen man benötigt und auf welche der vielfältigen Arten man Bienen halten möchte. Um bei all dem nicht völlig überfordert zu sein empfiehlt es sich, schon durch Kurs oder Paten direkten Kontakt zu Bienen zu haben. Denn dann trägt einen die Faszination und Begeisterung durch diesen anfänglichen Wust an Herausforderungen.

Zutraulich: Bienen sind friedvolle Lebewesen. Vor einem „Angriff“ muss man sich nur fürchten, wenn man die Bienen und ihren Stock bedroht.
Bienchen mit Charakter: Jedes Volk ist spannend unterschiedlich!
Ja, aber was ist es denn nun, diese Faszination, diese wunderbare Welt der Bienen? Das habe ich mich oft gefragt. Ist es das Summen, das nach Sonne und Wärme klingt? Die Lebendigkeit und der unermüdliche Fleiß? Dieser betörende Duft, wenn man einen Bienenstock öffnet? Die Süße des Honigs? Es ist all das und doch so viel mehr. Als Bienenhalter steht man in direktem Austausch mit der Energie seiner Bienenvölker. Der Superorganismus Bien, wie die Gesamtheit der Bienen eines Volkes genannt wird, fasziniert durch einen bedingungslosen sozialen Zusammenhalt, eine demokratische Ordnung mit perfekter Aufgabenverteilung und den außerordentlichen kognitiven Fähigkeiten dieses Hofstaats kleiner Insekten und ihrer Königin. Diese Bienenmutter, die auch Weisel genannt wird, ist das Herzstück des Volkes und entscheidend für die Reproduktion und das Überleben der Population. Sie produziert Pheromone, die das Verhalten der anderen Bienen beeinflusst und signalisiert: alles ist in Ordnung! Bei ihrem Verlust macht sich schon nach kürzester Zeit starke Unruhe und Verzweiflung im Bienenstock breit.

Hinter Gitter: Klar trägt die Imkerin von heute auch den passenden Schleier – so ist stets alles auf der sicheren Seite.
Der Bien bezeichnet also eine Bienenkolonie und kann im übertragenen Sinne als ein Organismus, ein Tier gesehen werden. Als Hobbyimker mit überschaubarer Völkeranzahl staunt man immer wieder über die verhaltensmäßigen Unterschiede zwischen den einzelnen Kolonien.
Bei meinen derzeit sieben Völkern weiß ich ganz genau, wer wie tickt. Da gibt es die ganz ruhigen, entspannten sowie die schnell aufgeregten, die einem schon mit dem Stachel voraus entgegen- kommen. Dann sind da die „Bauvölker“ die wirklich alles mit ihrem Wabenwerk füllen und ver- kleiden, selbst im Bienenkasten Vergessenes oder Futterzargen. Mein Volk „Joy“ hingegen ist führend in der Propolisproduktion. Deren Behausung strotzt nur so vor diesem wertvollen Kittharz, der mit seiner keimtötenden, entzündungshemmenden und Immunsystem stärkenden Wirkung auch sehr bedeutsam für die Naturheilkunde ist. Diese unterschiedlichen Charaktere ebenso wie Widerstandsfähigkeit und Ertragsstärke, werden jeweils von der Genetik der Bienenkönigin und dem Erbmaterial der begattenden Drohnen (männliche Bienen) beeinflusst. Aus diesem Grund floriert ein internationaler Handel mit Bienenköniginnen aus qualitativ hochwertiger Zucht. Dies ist in vielen Fällen auch überaus sinnvoll. Was man insgesamt davon hält, hängt von der persönlichen Einstellung ab. Was ein Bienenvolk davon hält, erfährt man möglicherweise dann, wenn eine teuer gekaufte Königin abgestochen wird und sich das Volk lieber ihre eigene Monarchin zieht. Mit imkerlichem Geschick kann dies zwar vermieden werden, jedoch ist es mir in diesem Artikel eine wahre Freude, den „eigenen Kopf“ dieser erstaunlichen Tiere immer wieder hervorzuheben. Zumeist wissen sie selbst am allerbesten, was gut für sie ist.

Hoch hinaus: in der Schwarmzeit tummeln sich Bienen & Drohnen im Flugfieber.
Das Gehirn der Apis mellifera ist kleiner als ein Stecknadelkopf und gilt als eines der leistungsfähigsten in der gesamten Tierwelt. Dieses winzige Gehirn ist zu umfassenden Erinnerungen fähig und besitzt eine Art kognitive Landkarte. Mit ihrem berühmten Schwänzeltanz kommunizieren sie ihren Kolleginnen auf den Waben im dunklen Stock, in welcher Entfernung und in welcher Richtung sich eine lohnende Trachtquelle befindet. Die Informationen werden dabei nicht visuell, sondern über Vibrationen übermittelt. Bei ihrer perfekten Navigation orientieren sich die Immen relativ zum Sonnenstand und meistern auch den Rückweg problemlos, sofern nicht ein hungriger Vogel ihre Wege kreuzt oder ein Unwetter plötzlich auftritt. Die Gefahren außerhalb des Stocks sind der Grund, warum das Sammeln von Nektar, Pollen, Wasser und Propolis die letzte der vielfältigen Aufgaben im Leben einer Honigbiene ist. Davor waren sie als Reinemacherinnen, Ammen, Baubienen, Wächterinnen und Nektarabnehmerinnen eingeteilt.

Die Königin und ihr Hofstaat: Ständig ist die Königin im Mittelpunkt. Als einziges fruchtbares Wesen im Stock sorgt sie für die Eiablage und garantiert damit den Nachwuchs im Bienenvolk.
Im Bienenstaat sind die weiblichen Insekten klar in der Überzahl, die Männchen werden nur in der Vermehrungsphase, etwa von April bis in den Spätsommer im Stock geduldet. Bereits ab Ende Juli kann man die ersten Drohnenschlachten an den Fluglöchern beobachten. Dabei werden sie von den Immen recht grob aus dem bisherigen Zuhause verbannt. Bis dahin bestand ihre hauptsächliche Aufgabe im Ausfliegen zur Suche nach begattungsfähigen Königinnen. Aufgrund ihrer langen Flügel und kräftigen Flugmuskeln können sie Entfernungen bis zu 10 km zurücklegen. Dies dient zur guten Durchmischung des genetischen Erbguts. Sie treffen an sogenannten Drohnensammelplätzen auf Drohnen von anderen Bienenvölkern der Umgebung und auf begattungsfähige Königinnen. Was genau einen solchen Sammelplatz ausmacht, ist wissen- schaftlich noch nicht vollständig geklärt und zur Erforschung werden ihre technologisch entwickelten Namenbrüder „Drohnen“ eingesetzt. Am Bienenstand gelten die Bienenmännchen bei Imkern als sympathische und drollige Gesellen. Sie haben keinen Giftstachel und werden daher gerne von Anfängern dazu benutzt, das Aufgreifen von Bienen mit den Fingern oder das markieren von Königinnen zu üben. Natürlich wird ihnen dabei kein Schaden zugefügt, abgesehen vielleicht von einem kleinen Schrecken.

Erfolgreicher Flugeinsatz: Die Bienen bringen von Ihren Sammelflügen Pollen, aber auch Propolis sowie frischen Nektar für den Stock mit nach Hause.
Um noch ein wenig mehr von meinen Lieblingsinsekten zu schwärmen, möchte ich noch auf ein weiteres Phänomen dieser Tierart eingehen. Meine Wortwahl verrät schon – es geht um das Schwärmen von Honigbienen. Im letzten Jahr konnte man in den Medien mehrfach Beiträge sehen, wie ein Bienenschwarm für Verzögerungen bei einer Sportveranstaltung oder beim Start eines Flugzeugs gesorgt hat. Dies kann ärgerlich sein, da zum Einfangen einer solchen immensen Bienenansammlung ein Fachmann nötig ist, was eine gewisse Zeit erfordert. Doch was ist passiert? Ein Volk hat sich geteilt und ein Teil ist mit der Königin geschwärmt. Das Schwarmverhalten stellt die natürliche Vermehrungsmethode dieser Tiere dar. Es wird mit komplexer Vorbereitung das Teilen des Volkes geplant, indem Brutzellen für neue Königinnen angelegt werden. Einige Tage vor der Teilung wird die Weisel von ihren Töchtern auf Diät gesetzt, um wieder leicht genug zum Fliegen zu sein. Bisher war sie nach einigen Orientierungsflügen zunächst nur einmal in ihrem Leben zum
Hochzeitsflug eine weite Strecke ausgeflogen. Bei diesem wurde sie von mehreren Drohnen begattet und mit bis zu zehn Millionen Spermien für ihre gesamte Lebenszeit ausgestattet. Danach ist sie aufgrund der Fülle der Eier in ihrem Hinterleib zu schwer und daher gehört eine Abnehmkur der Weisel zum aufwändigen Schwarmgeschehen. Wenn alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, verlässt ein Teil der Bienen mit ihrer Herrscherin den Stock wasserfallartig in minutenschnelle zu einem aufsehenerregenden Aufbruch. Kurze Zeit später wird bei den zurückbleibenden Insekten eine neue Königin schlüpfen. Der abgeflogene Schwarm sammelt sich indes und sendet Kundschafterinnen aus, um eine neue, geeignete Behausung zu finden. Diese wird dann in einem eindrucksvollen demokratischen Prozess ausgewählt, wie es von dem bekannten Verhaltensforscher Thomas D. Seeley in seinem Buch „Bienendemokratie“ ausführlich beschrieben wird. Das Abschwärmen wird von Imkern nicht gerne gesehen und zumeist verhindert. Das liegt zum einen daran, dass Honigbienen aufgrund von mangelnden geeigneten Brutstätten wie hohlen Bäumen und der allzeit gegenwärtigen Varroamilbe in freier Natur äußerst schlechte Überlebenschancen haben. Zum anderen fürchten viele einen Ertragsverlust an Honig. Glücklicherweise gibt es Methoden, mit Rücksicht auf den Schwarmtrieb zu imkern. Dies kann aufwendig sein, entspricht jedoch mehr dem Wesen des Bien.

Schlauer als die Wissenschaft: Hummeln dürften nach den Gesetzen der Physik gar nicht fliegen können – gut, dass sie das nicht wissen und es einfach trotzdem tun. Im Gegensatz zu den oft aggressiven Wespen sind Bienen & Hummeln äußerst friedliebende Geschöpfe Gottes.
ABSCHALTEN: BEI DEN BIENEN VERGISST MAN DIE WELT UM SICH HERUM…
Neben all dieser Begeisterung des Imkers für diese Tierart, ist die Arbeit mit Bienen Achtsamkeit pur. Man kann nur vollkommen konzentriert an seinen Bienen arbeiten. Anders ist dies nicht möglich. Egal was einen umtreibt, man muss es hinter sich lassen, wenn man zu seinen Bienen geht. Und das allein tut schon mal richtig gut! Diese Tiere spüren Stress und Unachtsamkeit sofort. Unruhe und Stecherei ist die Folge. Daher begibt man sich bei den Imkerarbeiten völlig in diesen Mikrokosmos Bien, empfindet sich als Teil dieser Welt und lässt für einige Zeit seinen Alltag hinter sich. Dabei sieht man im kunstvollen Wabenwerk neues Leben entstehen, oftmals einen Schwänzeltanz einer Biene mit Pollenhöschen und hoffentlich auch die Königin. Man arbeitet oft viele Stunden hart bei sommerlicher Hitze und taucht doch geistig erfrischt und voller innerer Zufriedenheit wieder aus der Bienenwelt auf. So wird dem Bienenhalter neben den vielen für den Körper gesundheitsfördernden Bienenprodukten ein ganz besonderes Privileg zuteil: eine Wohltat für die Seele, die die Nähe zu diesen wunderbaren Geschöpfen mit sich bringt. Wer dies, so wie ich, als eine große Bereicherung seines Lebens empfindet, wird ausreichend für all die Arbeit und Mühen belohnt, die eine verantwortungsvolle Bienenhaltung mit sich bringen. Dabei ist meiner Meinung nach unbedingt darauf zu achten und daran zu arbeiten, dass man dem Wesen der verehrten Honigbienen so gerecht wie möglich wird. Wer Imkerei aus Liebe zur Natur und als Hobby betreibt, sollte daher nicht den hohen Honigertrag, sondern die Bienenhaltung an sich in den Vordergrund stellen. Es ist selbst für Naturliebhaber oftmals ein schmaler Grat, was man liebt nicht auszubeuten. Ist doch die Honigernte ein weiteres Highlight der imkerlichen Tätigkeiten. Für mich persönlich ist es ein wichtiges Ziel, weiterhin von und über die Bienen zu lernen, um ein wertschätzendes ausgeglichenes Verhältnis zwischen meinen Immen und mir zu erreichen.
Schon in den ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres verlassen die Honigbienen zu Reinigungsflügen das Dunkel des Bienenstocks. Sie sind frühe Boten des Frühlings und verheißen uns das nahe Erwachen der Natur zu neuem Leben. Ihr Summen klingt in meinen Ohren wie das schönste Lied.

Nach vielen Jahren des Schwärmen nun seit 4 Jahren Imkerin. Sie macht derzeit einen Kurs zur wesensgemäßen Bienenhaltung bei Mellifera e.V., um immer tiefer in die Welt der Bienen einzutauchen.